Die Reise zum Mond ist Armstrongs (Ryan Gosling) großes Ziel © Universal Pictures

Mondsüchtig

Oscarpreisträger Damien Chazelle schickt Schauspieler Ryan Gosling in »Aufbruch zum Mond« ins Weltall und lässt den Zuschauer dabei ganz unmittelbar die Erfahrung von Astronaut Neil Armstrong im Cockpit teilen.

Heftiges Dröhnen, Ruckeln und Knarzen – das neue Werk des Oscarpreisträgers Damien Chazelle (La La Land) spielt in einer Zeit, in der die Möglichkeiten der Raumfahrt von ein paar Wagemutigen in dünnen Blechbüchsen erst einmal ausgelotet werden mussten. Mit Aufbruch zum Mond kehrt Damien Chazelle dabei wieder zu einer Körperlichkeit im Film zurück, die wir schon von seinem hinreißenden Debüt Whiplash kennen. Es darf auch mal wehtun, laut sein, dann wird der Moment im All zur heilenden, vor allem stillen Erfahrung.

Kein All-American-Hero auf jeden Fall, zu dem er später hochstilisiert wurde und der den ganzen »Wahnsinn« dieser Mission wie ihn Damien Chazelles Film detailgenau zeigt, unter den Tisch kehrt. So erscheint auch nur schlüssig, dass der amerikanische Regisseur das große ikonografische Emotionsmoment der Nation, das Aufstellen der US-Flagge, einfach weglässt. Die Kritik aus seinem Heimatland kam prompt schon bei der Premiere bei den letzten Filmfestspielen in Venedig.

Doch Chazelle ging es eben nicht darum, einen klassischen Hollywoodfilm über eine Mission, (später protestierend) finanziert und umgesetzt von einer großen Nation, zu drehen. Er nähert sich der Reise zum Mond aus einem intimen Blickwinkel mit der Frage, was die vielen auserwählten Männer und vor allem Armstrong dazu brachten, eine solch gefährliche Reise antreten zu wollen. Dem bedeutsamen Schritt auf dem Mond 1969 gehört dabei weniger als das letzte Drittel des Films. Im Fokus stehen über acht Jahre vorher, die persönlichen Fehlschläge Armstrongs, angefangen im X-15, aber auch die Rückschläge der ganzen NASA mit ihren Mitarbeitern bei den vorbereitenden Projekten, während derer einige Piloten ihr Leben verloren. Drehbuchautor Josh Singer, der mit fundierten Büchern für erfolgreiche Filme wie Spotlight bereits begeisterte, recherchierte ausführlich in der Welt der Gemini- und Apollo-Ausbilder.

Zu Lernen aus dem Scheitern, wieder aufzustehen und weiterzumachen und dabei stärker zu werden, das zeichnet die Figur Neil Armstrong aus. Ryan Gosling verkörpert sie mit dem ihm eigenen stoischen Blick als ein introvertierter Nerd, der zum Weinen über den Verlust seiner zweijährigen Tochter ins Nebenzimmer geht. Und auch wenn er seinen beiden Söhnen erklären soll, dass die Reise zum Mond seine letzte sein könnte, klingen die Erklärungen wie eine emotionslose Presseerklärung. Mit seiner Obsession für die Sache Mondlandung ist Armstrong dagegen ein echter Damien- Chazelle-Charakter. Während er sich beruflich ganz auf diesen kosmischen Trip einlässt, versucht er auf seine Weise, auch ein guter Vater (nach den Standards der 60er-Jahre) zu sein und ein liebender Ehemann für seine Frau Janet (Claire Foy). Dieser kommt eine besondere Rolle zu, denn die willensstarke Frau sieht sich durch die geschichtsträchtige Mission ihres Mannes in die Rolle einer öffentlichen Person gedrängt, die sie nicht anstrebte. Sie sieht die Mitarbeiter der NASA mit klarem analytischem Blick als das, was sie sind: ein Haufen Jungs, die Modelle basteln und stets mit dem Tod spielen.

Der Tod als ein dunkles Mysterium und der Mond als verheißungsvoller Sehnsuchtsort, in Chazelles begeisterndem Film erlebt man das Mysterium der Raumfahrt ohne jedes Pathos und sitzt quasi mit den Astronauten in der Kapsel – mitbringen muss man dafür nur eine Kinokarte.

Diemuth Schmidt

 


Start: 8. November

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