Hans-Peter (Julius Weckauf) ist bereits als kleiner Junge ein Verkleidungskünstler © Warner Bros

Heilender Humor

Caroline Link verfilmte Hape Kerkelings Autobiografie »Der Junge muss an die frische Luft« mit dem grandiosen Kinderdarsteller Julius Weckauf

»Isch nehm‘ noch ein Eierlikörschen, das Leben muss ja irgendwie weitergehen.« Ja, das musste es für den neunjährigen Hans-Peter (Julius Weckauf), der so herrlich altklug und komödiantisch die Kundschaft in »Omma« Ännes Krämerladen in Recklinghausen imitiert. Die Zäsur seiner Kindheit kam im Sommer 1973 mit dem Tod seiner Mutter. Doch Hans-Peter, der sich später Hape nennt und Deutschlands Sympathieträger Nummer eins im Fernsehen werden sollte, war nicht allein, das zeigt Caroline Link in ihrem wunderbaren Film.

Zum ersten Mal verfilmte Oscar-Preisträgerin Caroline Link (Nirgendwo in Afrika) das Drehbuch eines anderen Autors. Beim Lesen hatte sie schnell bemerkt, dass der Stoff ihr lag und sie die Welt der Kerkelings, das Milieu der einfachen Leute, selbst auch genau kennt. Geschrieben hat das Drehbuch Ruth Toma, die dafür Kerkelings Autobiografie adaptierte. Eigentlich plante der Komiker einen unterhaltsamen Rückblick auf seine Kindheit, doch es wurde ein bewegendes Buch daraus, mit dem Kerkeling auch ein Lebenstrauma zu Papier brachte: den Selbstmord seiner Mutter.

Hapes große Familie erweist sich als eine Ansammlung von liebenswürdigen, feierwütigen Persönlichkeiten mit Eigenheiten, mal schrullig, mal herzlich, mal exaltiert. »Omma« Änne (Hedi Kriegeskotte) mit ihrer ruppigen, unabhängigen Art ist die treibende Kraft. Sie vermittelt ihrem kleinen Enkel, dass es nicht wichtig ist, was andere über einen denken, und dass man einfach das machen soll, was man mag. Die Figuren kreisen im Film um den kleinen Wonneproppen, der an Karneval gerne als Prinzessin (in einem selbst genähten Kostüm wegen der nicht mädchenhaften Proportionen) geht. Von der Zarah Leander interpretierenden Tante schaut er sich die Gestik und Mimik ab. Ein Mädchen sein? Das will er auf keinen Fall und wird wütend, wenn jemand nicht erkennt, dass er nur eine Rolle spielt. Das unsportliche und von den Mitschülern leicht gehänselte Pummelchen, das lieber bei Oma Bertha Streuselkuchen isst, als mit den anderen draußen herumzutoben, erkennt früh, dass er aktiv für Lacher sorgen muss, um nicht ausgelacht zu werden. Mit dieser Taktik meistert er sein Leben – bis der Trübsinn darin einzieht.

Diemuth Schmidt

 


Den vollständigen Artikel finden Sie in der Applaus-Doppelausgabe 1/2/2019.

Start: 25. Dezember

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