»Beat« (Jannis Niewöhner), Fräulein Sundström (Carlo Ljubek) und Nani (Svenja Jung) © 2018 amazon.com
Der Spion, der aus der Club-Nacht kam
Mit der deutschen Serie »Beat« taucht Marco Kreuzpaintner ins Berliner Nachtleben.
Das unangenehm gleißende Licht der taghellen Realität ist kaum zu ertragen. Die Flucht davor führt immer wieder zurück in die anonyme Dunkelheit des Clubs. Hier gibt es nur das sengende Stroboskop-Licht, dass im Rhythmus der pulsierenden Bässe flackert. Der Beat des Techno ist bis in die Herzkammer zu spüren, der Kopf rauscht und glüht, das von chemischen Drogen aller Art freigesetzte Serotonin packt den Körper in weiche Watte. Die Apotheose maximaler Geborgenheit. Zumindest für Menschen wie Robert Schlag (Jannis Niewöhner) – ein vom Techno besessener Clubpromoter, den alle nur »Beat« nennen. Wurzellos in der Welt da draußen, nur wirklich zuhause in den Katakomben und Hinterhöfen der Berliner Feiertempel.
Eine Reihe von brutalen Verbrechen in der Club-Szene verschafft Beat jedoch bald Aufmerksamkeit außerhalb seines Techno-Orbits. Und schon bald findet sich der Techno-Connaisseur Robert in einem immer undurchsichtiger werdenden Netzwerk aus Spionage, Organhandel und organisiertem Verbrechen wieder aus dem es kein Entkommen mehr gibt.
Mit Beat versucht Amazon Prime erneut deutsche Serienfans zu locken. Das Ergebnis ist nicht wirklich gelungen, aber in höchstem Maße faszinierend. Weil sich an Beat bestens beobachten lässt, dass sich die deutsche Serie nach wie vor noch in einem Lernprozess befindet. Denn Autor Norbert Eberlein versucht eine unüberschaubare Anzahl an mitunter hochgradig kruden Nebenplots zu navigieren, die sich gegenseitig im Weg stehen und mitunter unbefriedigend ins Leere laufen. Als würde er eigentlich drei bis vier verschiedene Serien auf einmal erzählen wollen. Und das ist bedauerlich. Denn der thematische Kern inmitten der teils hanebüchenen, narrativen Entropie ist wunderbar universell: eigentlich geht es um die Angst vor dem Verlust der Freiheit und die verzweifelte Suche nach Zugehörigkeit und Identität im Angesicht einer chaotischen Welt. Und mit Beat hat die Serie einen großartig gespielten und absolut faszinierenden Protagonisten, der all das verkörpert.
Daher würde man sich wünschen, dass die Serie ihm einfach nur durch das elektrisierende Nachtleben Berlins folgt. Denn genau hier gelingen Regisseur Marco Kreuzpaintner immer wieder ungemein stilvolle, eindringliche Bilder, die es perfekt schaffen die Verlockung hedonistischer Freiheiten in Berliner Nächten spürbar zu machen. Und so fühlt man sich nach den sieben Folgen ein bisschen wie Beat nach 48 Stunden Rave-Party. Ausgelaugt, verkatert, überfordert. Aber beim nächsten Mal ist man dann doch wieder dabei. Denn Spaß hatte man ja trotzdem ohne Ende.
Ralph Glander
Seit November auf Amazon Prime